11/15/2016

DER TELLER IST RUND, DAMIT...

Viele Köche verderben den Brei nicht immer! Zumindest nicht an den von der Zürcher Organisation Gemeinsam Znacht veranstalteten Kochabenden. Hier tragen alle etwas zum Gelingen bei – Gäste und Gastgeber gemeinsam.
Zum Westafrikanischen Kochabend begrüßt Martina Schmitz, die Gründerin von Gemeinsam Znacht, die Teilnehmenden mit einem Glas Weißwein – und bunten Schürzen, die wir gleich umbinden. Ein Küchenmesser haben wir auf Anraten mitgebracht.

An den langen Tischen in der gemeinnützigen Küche in einem charmanten Hinterhof im Kreis 4 kommt man beim gemeinsamen Kartoffel schälen, Zwiebel oder Maniok schneiden schnell und unkompliziert mit dem schnetzelnden Gegenüber ins Gespräch. Maniok? Exotisch anmutende Namen stiften Verwirrung. Unbekannte Gemüse oder Verpackungen und deren Inhalt lassen angeregt diskutieren und rätseln.

Derweil geht am Herd bereits die Post ab. Keine Spur von Verwirrung bei Antoinette und Blessing, den beiden Köchinnen und ihrem Team. Rezepte werden keine benötigt, das geht alles locker und fröhlich aus dem Handgelenk. Aus großen Kochtöpfen riecht es schon bald verheißungsvoll – anders, ungewohnt, neu.
Empfindungen, die Flüchtlinge täglich erleben, erleben müssen. Nicht nur beim Essen. 

Es gibt unzählige Situationen, es sind viele Geschichten. Und jeder der Menschen, die für uns ein Stück ihrer Heimat herbeikochen, hat eine eigene, ganz persönliche. Manche Geschichte bleibt im Verborgenen, zu schwer wiegt sie, andere berichten ausführlich, von Angst, von Flucht, von Hoffnung. Die Tränen aber in Armstrongs Augen beim Anblick eines Tellers Egussi, dem typischen Gericht seiner Heimat Nigera, erzählen mehr als alle Worte. Das sind berührende Momente eines sonst so entspannten und ausgelassenen Abends.


Für unsere westeuropäischen Gaumen ist Egussi, ein Eintopf aus Bitterkraut, Fleisch, getrockneten Krevetten und Fisch, eine wirklich neue Erfahrung, die uns an nichts Bekanntes anknüpfen lässt. Traditionell isst man dazu Banku, eine aus der Yamswurzel gekochte Maße, die man in die Soße eintunkt. Das sollte man mit viel Bedacht tun – Banku anzurühren ist Schwerstarbeit! Zeitweise mussten vier starke Arme anpacken. Das war eindrücklich.

Die Basis der senegalesischen Spezialität Maafe ist eine süß-scharfe Erdnusssoße, die uns geschmacklich vertrauter ist. Serviert mit verschiedenen Gemüsen harmoniert das Gericht wunderbar mit dem Yassa Chicken an einer Ingwermarinade. Dazu frittierte Plantains, die Kochbananen, die selten bei einem westafrikanischen Essen fehlen. So auch der Maniok, das Wurzelgemüse, das mich besonders interessiert. So oft habe ich die langen, braunen Knollen schon in der Gemüseabteilung gesehen und mich jedes Mal gefragt, was man damit eigentlich anstellt.

Die sehr stärkehaltige Wurzel, auch Yuca oder Cassava genannt, im Geschmack und in der Verwendung der Kartoffel sehr ähnlich, stammt ursprünglich aus Südamerika. Von dort gelangte die Pflanze im 15. Jahrhundert durch die Portugiesen nach Angola, viel später, erst im 19. Jahrhundert, auch nach Westafrika.
In unseren Breitengraden sind die Knollen mittlerweile auch problemlos erhältlich. Maniok-Rezepte hingegen, überhaupt westafrikanische Rezepte oder gar Kochbücher sind eher rar.

Eine ganz einfache Art mit dem Wurzelgemüse vertraut zu werden, ist die Zubereitung von Maniok-Chips – und für mich eine kulinarische Erinnerung an einen inspirierenden Abend, der alle auf irgendeine Weise bereichert hat. Gemeinsam Znacht, gemeinsam kochen, gemeinsam essen, gemeinsam sein, lässt über die Tellerränder blicken, oder frei nach Francis Picabia: Nicht nur unsere Köpfe sind rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann, auch unsere Teller, Pfannen und Kochtöpfe...

Der nächste Kochabend findet am 18. November 2016 statt. Dann heißt es Kurdisch Kochen!
Gemeinsam Znacht veranstaltet außerdem thematische Kochabende für Firmen, Organisationen oder Freundesgruppen (max. 20 Teilnehmer). Ausführliche Informationen über alle Projekte auf gemeinsamznacht.ch

Maniok-Chips

Zutaten
Maniok
Olivenöl
Fleur de Sel

Zubereitung
Den Maniok schälen und in 3 mm dicke Scheiben hobeln. Die Scheiben in einem Sieb 2-3 Minuten unter fließendem Wasser spülen, danach alle Scheiben auf einem Küchenpapier verteilen und trocken tupfen.

In einer Pfanne Olivenöl erhitzen und die Scheiben beidseitig goldbraun braten. Nicht zu dunkel – sie werden sehr schnell sehr hart! Herausheben und auf ein Küchenpapier legen. Mit Fleur de Sel bestreuen.

Maniok nie roh verzehren! Die Wurzelknolle enthält Cyanide (Blausäure), die sich durch trocknen (Mehl), kochen, braten und frittieren verflüchtigen.
  
ALL IMAGES © TableTales und Markus Hugelshofer

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