1/05/2016

LIEBE ALICE,

was für ein Glück, bist du Hugo begegnet, irgendwann im Dezember vor ziemlich genau vierzig Jahren, vor einem Zürcher Warenhaus, in dessen Untergeschoss sich eine Lebensmittel-Abteilung befand bzw. befindet, denn ich nehme an, es handelt sich um den Globus. Hugo hat verzweifelt nach schwarzen Bohnen Ausschau gehalten (für eine Feijoada) und diese im besagten „Delikatessen-Underground“ nicht gefunden, worauf du, Alice, gleich reagiert hast und ihm wenige Tage nach eurem Zusammentreffen die gesuchten Hülsenfrüchte nach Hause geschickt hast.

Nein, das war nicht der Anfang einer Liebesgeschichte, aber der eines Briefwechsels – so will es zumindest die Legende – der erst als wöchentliche Kolumne in der NZZ erschien und nach einem Jahr Laufzeit als Buch herausgegeben wurde. Darin tauscht ihr euch nicht nur über Rezepte, deren Ursprünge, über das Essen, dessen Kulturgeschichte oder über Literatur aus, auch über Persönliches. Manchmal streitet ihr beinahe und einer erklärt dem anderen mit spitzer Feder wos kulinarisch lang geht, um dann aber auch wieder milchlammfromm einer Meinung zu sein, z.B. zum Thema Kutteln... ausgerechnet... Ich habe mich bestens amüsiert und Interessantes erfahren — es war die richtige Kost für eine wie mich, die mit einem Virus über die Feiertage das Bett hüten musste. Ein Buch zum – im wahrsten Sinne – verschlingen.

Gut hatte ich Nachschub. Neben Teekanne und Fiebermesser lag auf dem Bücherstapel noch ein schmales Bändchen von dir, Alice, in dem ich immer wieder gerne blättere und reinlese. Natürlich, es handelt von Italien – dein Wunderland. Von dessen Provinzen, Menschen und Küche. Ein Rezept daraus passte genau zum verbleibenden Inhalt unseres Nach-Feiertage-Kühlschranks: Carciofi alla romana
Nun fast, Minze fehlte, aber ich glaube, ich hätte sie sowieso weg gelassen, dafür mischte ich in die Kräuterfüllung gehackte Zitronenschale. Ich hoffe, das stört dich nicht!

Nigel Slaters Zitat, auf der Rückseite eines seiner Kochbücher, bringt es doch auf den Punkt: „Ein Rezept ist wie ein Lebewesen. Es muss atmen und sich bewegen können, um sich unseren Zutaten, unseren Stimmungen und Wünschen anzupassen.“ Der britische „Koch, der schreibt“, wie sich Slater selbst be-schreibt, schreibt auch von der „Tyrannei der Rezepte“, vom Rezept-Dogma, das für manche Gerichte angebracht sein mag (z.B. für einen Gratin Dauphinoise – Käse verboten!), sonst aber ist es doch viel spannender auszuprobieren, dazuzufügen oder eine Zutat einfach wegzulassen. Findest du nicht auch, Alice?


Leider werde ich keine Antwort erhalten, denn du bist irgendwo im Kochhimmel, vielleicht beglückst du ja gerade Hugo mit deinem himmlischen Safran-Risotto. Oder wandelt ihr etwa auf Dantes Spuren und habt endlich rausgefunden, was er als Zwischenverpflegung auf seine Jenseitswanderung mitnahm...? 
Ich grüsse dich und Hugo sehr herzlich und übrigens, die Artischocken waren köstlich! 

Ganz im Gegensatz zu einem eher missglückten Braten am Silvester... doch davon ein ander Mal mehr, in diesem Sinne erst einmal allen ein gesundes und gutes neues Jahr, Freude und gutes Gelingen in der Küche! 

Erwähnte Bücher:
Alice Vollenweider / Hugo Lötscher: Kulinaritäten, Diogenes 
Alice Vollenweider: Italiens Provinzen und ihre Küche, Wagenbach Salto
Nigel Slater: Einfach geniessen, Dumont


Artischocken nach Römer Art

Zutaten
4 kleine Artischocken
1/2 Zitrone, Saft
1/2 Bio-Zitrone, Schale (Zesten)
5-8 Zweige glatte Petersilie (je nach Größe)
2-3 Knoblauchzehen
ein Schuss Weißwein
Meersalz und schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Olivenöl

Zubereitung
Artischocken sind eine Delikatesse, aber viele scheuen sie wegen der Vorbereitung. So schlimm ist es nicht, aber es gibt ziemlich viel Abfall. Wie Alice Vollenweider richtig schreibt: Man muss radikal sein und sie ohne falsche Sparsamkeit putzen.

Eine Schüssel mit kaltem Wasser füllen und den Saft einer halben Zitrone dazu geben.

Nun entfernt man die äußeren, harten Blätter der Artischocke, schneidet etwa 2/3 von der Spitze ab und schält weiter bis nur noch sehr zarte Blätter übrig sind. (Ich habe die Blätter sehr kurz geschnitten – eben radikal – man könnte sie auch etwas länger lassen).
Das Heu entfernt man leicht mit einem Teelöffel.
Den Stiel kürzt man auf ca. 6 cm und schält ihn bis auf das innerste weiche Fleisch, den Artischockenboden von aussen (wo die harten Blätter waren) kann man mit dem Messer noch etwas glätten.
So geputzt legt man die Artischocken in das Zitronenwasser, damit sie nicht zu stark verfärben.

Mit einem Spar- oder Zestenschäler eine halbe Zitrone schälen. Darauf achten, dass nur die gelbe Schale wegkommt, keine weiße Unterhaut.

Blätter der Petersilie, 1-2 Knoblauchzehe(n) und die Zitronenschale fein hacken und mit etwas Meersalz vermischen. Die geputzten Artischocken mit der Mischung füllen – gut reindrücken.

Die restliche Knolauchzehe in dünne Scheiben schneiden.
In einem Topf/Schmortopf Olivenöl auf mittlerer Stufe erhitzen und die Knoblauchscheiben darin anziehen, sie sollen keine Farbe annehmen. Nach etwa 5 Minuten die Artischocken köpfüber in den Topf stellen, restliche Kräutermischung darüber streuen, salzen und pfeffern.
Mit einem Schuss Weißwein ablöschen, zudecken und ca. 50-60 Minuten auf kleinem Feuer schmoren lassen.
Sie schmecken warm oder kalt – am besten lauwarm (eine Vorliebe von Alice)!

ALL IMAGES © TableTales

2 Kommentare:

  1. Herrlich! Die Bücher wanderten sofort auf die Wunschliste. Wie schön, dass wir hier an deinen Tisch gefunden haben. Wir kommen wieder.
    Viele Grüße aus Ye Olde Kitchen, Eva und Philipp

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    1. Willkommen an meinem Tisch – werde mich gleich einmal auch an euren setzen!
      Herzliche Grüße, Iris

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